Freitag, 8. Mai 2009

Der Flügel

Immer 2 Wagen zwischen sich lassend, fährt Pitt dem Rolls nach und fragt Harry: „ Was ist das überhaupt für ein Flügel?“
„Soviel wie ich weiß ist das ein Konzertflügel“
„Und was unterscheidet dies von einem Nicht-Konzertflügel?“

„es gibt Stutzflügel (Länge: etwa 1,4 m bis 1,8 m
Studioflügel (Länge: etwa 1,9 m)
Salonflügel (Länge: etwa 1,8 m bis 2,1 m)
Halbkonzertflügel (Länge: etwa 2,1 m bis 2,4 m)
Konzertflügel (Länge: etwa 2,4 m bis 3,06 m)“

Verdattert schaut Pitt seinen Kollegen an „Woher weißt Du dass? Musik studiert oder was?“
„Nö, aber meine Eltern waren Orchesterspieler und wir hatten einen Flügel zu Hause“
„Du kannst mir dann auch bestimmt sagen welcher Hersteller die Kiste hergestellt hat“
„Nein, da haben wir noch keine Informationen drüber, aber die Liste ist lang :

„Bechstein, Blüthner, Bösendorfer, Fazioli, Feurich, August Förster, Grotrian-Steinweg, Ibach, Kaps, Petrof, Pfeiffer, Sauter, Schiedmayer, Schimmel,….

„Sonst geht´s Dir gut“ schnauzt Pitt „Sieh zu, daß Du den Hersteller rausfindest, schließlich können wir keine Suchmeldung nach Schimmel rausgeben, wenn wir ein Saruman suchen!“„Sauter“ wirft Harry ein, „aber ich tippe mal auf Bechstein oder Schimmel“
„Wieso, sind das Schweizer Hersteller?“
„Nein, in der Schweiz werden soviel ich weiß keine Flügel hergestellt.“
„Mann, ruf an und brings in Erfahrung“

Harry angelt sein Handy aus der Jackentasche und gibt die Nummer der Spedition ein und spricht mit dem Spediteur. Nachdenklich schaltet er sein Handy aus und wendet sich Pitt zu.
„Es ist ein Schimmel mit der Serien-Nr. 2499, das Ding muß noch aus dem 18. Jahrhundert stammen. Darüber sind recht seltsame Geschichten im Umlauf“
Versonnen schaut Harry aus dem Fenster.
Der Rolls erreicht grade die Autobahnauffahrt Richtung Essen.
„Schnarch nicht ein“ Pitt schaut seinen Beifahrer forschend an „Was ist nun mit der Geschichte?“
„Naja, den Legenden nach soll im Flügel ein Teil des Kreuzes Jesus eingebaut sein“


Währenddessen, in einer abgelegenen Lagerhalle spricht ein Professor – zumindest scheint er einer zu sein – zu den anwesenden Leuten:
Wir haben es hier mit Holz zu tun, Holz ist letztendlich nur totes Material. Es gibt spezielle Tests, die wir durchführen könnten, um zu bestimmen, um welche Holzarten es sich handelt. Einfärben, bestrahlen und so weiter. Aber das ist nur bei der Identifizierung ungewöhnlicher Baumfamilien sinnvoll. Ein Rasterelektronenmikroskop wäre extrem nützlich, macht aber eine Heidenarbeit. Also nehm ich mein normales Vergrößerungsglas. Damit kann ich ich das Holz zumindest auf ein paar hundert Arten von circa Zwanzigtausend einschränken. Die Strukturen hier lassen darauf schließen, daß wir Esche, Hickory oder Eiche vorliegen haben. Jesus wurde wahrscheinlich an ein Kreuz aus Eiche, eine weitverbreitete Baumart im Nahen Osten, genagelt. Allerdings kommt diese Sorte auch in Nordamerika vor. Meiner Meinung nach ist dieses Holz aber weit älter als fünfhundert Jahre und stammt daher wohl aus dem Nahen Osten.


„Ach du Scheiße, nicht schon wieder so ein Schmarren a´la Dan Brown, hast Du eigentlich eine Ahnung wie viele angebliche Reliquien, die irgendwo eingebaut wurden, uns als gestohlen gemeldet wurden? Hunderte, alles bekloppte Spinner, die ihren Sperrmüll aufwerten wollen! Gefunden wurde natürlich nie was….“

Pitt wirft ein Blick auf´s Tacho und zuckt zusammen.
„noch 20 Stundenkilometer schneller und die sind weg, mehr als 230 gibt die Kiste hier nicht her. Verdammt, wo wollen die hin? Da, er fährt runter.“

Erleichtert setzt er den Blinker und folgt dem Bonzenauto.
„Hmmm“ brummelt Harry „Ist die Richtung Villa Hügel, nein, jetzt fahren sie Richtung Holsterhausen, wette, die fahren nach Finster“
„Finster?, was ist das denn schon wieder?“
„Ach, da kann man im Dunkeln essen und genießen.“ antwortet Harry.
„Genau das Richtige für die Beiden“ brummt Pitt

Tatsächlich hält der Rolls vor der Tür des Restaurants. Pitt fährt vorbei und sucht auf dem Parkplatz eine Stelle wo sie die sinnfreie Fressbude beobachten können. Sein Magen knurrt verdächtig laut. Harry bietet sich an in einer nahgelegenen Pommesbude Currywurst zu holen. Pitt drückt ihm ein 10-Euroschein in die Hand „aber doppelt mit viel Majo und die Bratwurst bitte geschnitten mit ganz viel Currysoße“
„wünscht der Herr auch Tafelgeschirr aus dem Buckingham Palast, kein Problem….“
„mach daß Du wegkommst und bring mir noch ne Diät-Cola mit und wehe, Du unterschlägst auch nur einen Cent, ich werde das überprüfen“

„Zum Glück kenne ich die Bedienung, die stellt mir ne Quittung aus, das ihm hören und sehen vergeht“ denkt Harry als er sich auf den Weg macht. Pitt beobachtet wie die beiden Turteltauben in das komischerweise hellerleuchtete Restaurant gehen. Er öffnet die Wagentür und schlendert ganz unauffällig zum Rolls, wo sich der Fahrer grade eine Zigarette ansteckt.
„hasse mal ne Kippe für mich“ fragt Pitt den Fahrer „meine sind grad ausgegangen und kein Automat in der Nähe“ Der Fahrer schaut Pitt abschätzend an, greift in die Tasche und hält ihm die Schachtel hin. „Bedien dich und hau ab, mein Chef hat es nicht gerne, wenn ich in der Dienstzeit mit Gesocks rede.“ Verblüfft ob des schroffen Ton angelt sich Pitt Eine raus, bedankt sich und geht zu seinem Wagen zurück. Nachdenklich betrachtet er die Zigarette „Marke Parisienne Ciel“ und verstaut sie im Spurensicherungsbeutel.
Endlich kommt Harry mit den Pommes zurück und reicht sie Pitt durchs Fenster. „Macht genau 19.95 EURO“ Mürrisch greift Pitt in seine Tasche und angelt den nächsten Zehner. „den Rest kannst Du behalten“ und packt seine Portion aus. Ungläubig starrt er auf das Menue, dann auf Harry und keift „20 Euro???????“ „Das ist ja nicht mal ein Meter Pommes und ich wollte keine Majonaisensuppe mit Kartoffeln drin, sondern Pommes mit Majo und schon gar keine Currysuppe mit Andeutung von Wurstzipfeln, sondern Wurst mit Currysoße, ein Wunder, daß Du noch nicht wieder bei der Streife bist“
Dreckig grinsend macht sich Harry über seine Portion her, schweigt und genießt.

Er zuckt zusammen, als Pitt sein Essen aus dem Fenster wirft, den Wagen startet und aufs Gaspedal tritt. Fluchend dreht er sich zu Pitt um „wohl vom wilden Affen gebissen, jetzt hab ich auch noch Ketchup und Majo auf der Hose.“
„Hol Dir doch Schlabberlätzchen, wenn Du nicht aufpassen kannst und die Reinigung des Wagens geht auf Deine Rechnung. Wie kann man nur so ungeschickt sein“
Er jagt dem Rolls hinterher, in der Hoffnung, daß sie nicht bemerkt werden. Doch dieser bremst abruppt, so daß Pitt voll in die Eisen steigen muß und den BMW schlingernd zum stehen bringt. Die Fahrertür des Rolls öffnet sich und der Fahrer steigt aus. Mit einem höhnischen Grinsen stolziert er auf die Beiden zu, beugt sich zu Pitt hinab.
„Ihr müßt schon früher aufstehen. Meint ihr ich hab euch nicht schon in Duisburg bemerkt?“
Kopfschüttelnd geht er zum Rolls zurück, steigt ein und fährt ganz gemächlich weiter.
Pitt fasst sich an den Kopf, wendet und fährt zum Lokal zurück. An der Eingangstür steigt er aus. Er wendet sich an den Türsteher. „Vorhin sind hier ein älterer Herr in Begleitung einer Blondine reingekommen. Sind die noch da“
„Wir geben keine Auskunft über unsere Gäste“ bekommt er zu hören.
Außer sich vor Wut krallt sich Pitt die Krawatte des Gegenüber, zieht ihn ganz nah an sich ran und sagt „Hör mal zu Freundchen, Wenn Dein nächster Satz nicht mit den Worten :Sie sind…: beginnt, dann fahren wir mal kurz nach Duisburg auf die Wache“
Völlig verängstigt antwortet der Türsteher „Die Zwei sind vor gut 10 Minuten von einem Taxi abgeholt worden und Richtung Haarzopf abgefahren“
„Welches Taxiunternehmen?“ „Das weiß ich nicht, war so ein Neutrales ohne Werbung, die Nummer konnte ich auch nicht sehen, weil es ohne Licht abgefahren ist“
„Sollte ich herausfinden, daß Du mich angelogen hast, dann buchte ich Dich wegen Behinderung der Polizei für mindestens 6 Monate ein und das im Schwerstverbrechertrakt“
Pitt läßt die schlotternde Figur los und schmeißt sich wieder hinter das Steuer. Schweigend fahren Beide wieder zurück auf die Wache und gehen in Ihr Büro. Harry schaut beim Chef rein, aber das Büro wie das Vorzimmer sind leer. Er macht Meldung bei Pitt, der vor lauter Verzweiflung in die Kaffetasse beißt. Er springt auf „ich fahr jetzt nach Hause, hab die Schnauze gestrichen voll, mir stehts bis hier, wie ich diesen Saftladen hasse“ und verläßt fluchtartig das Büro. Kaum hat er die Treppe erreicht, hört er Harry, der ihn zurückruft, weil der Anruf aus der Schweiz durchgestellt wurde. Etwas ruhiger geht er zum Büro zurück, greift den Hörer.

„Brett hier“ „Feldwebel Pflümli“ „ich hab die gewünschten Informationen. Die Zigaretten stammen tatsächlich aus der Schweiz und sind nur hier erhältlich, laut Aussage des Herstellers werden diese auch nicht exportiert. Über die Fahne haben wir noch nichts herausgefunden, denn den Bildern nach gibt´s hier zig Hersteller, wir bräuchten die Fahne schon im Original, damit wir den Kreis einengen können“
„Scheiße, na gut ich schick sie heute noch per Kurier. Und was ist mit Moser?“
„Tja, den Flügel hat er für 1.250.000 SFr bei Galerie Fischer Auktionen AG in Luzern erstanden“
„1.250.000 Schweizer Franken flüstert Pitt fassungslos, das krieg ich, selbst wenn ich bis 99 hier arbeite nie zusammen und das für so eine Klimperkiste“
„Ja, Flügel ist was ganz besonderes, er wurde im 18 Jahrundert gebaut und hat die Seriennummer 2499 und angeblich soll…“
„da ein Splitter aus dem Kreuz Jesus drin verbaut sein.“ brummt Pitt.
„nicht grad ein Splitter, sondern im Deckel soll ein Kreuz von eben Diesem eingearbeitet worden sein. Der Flügel war über 100 Jahre verschollen. Wer der Anbieter war, daß konnte mir keiner sagen, denn die versteigerte Sammlung wurde von einem Unbekannten per Telefon angeboten und hatte einen Gesamtwert von ca. 2,5 Mio SFr. Allerdings haben wir das aufgezeichnete Telefonat und unsere Stimmtechniker vergleichen das mit unserem Archiv. Die Speditionsfirma ist uns auch nicht bekannt, die hatten eine nichtexistierende Firmenbezeichnung auf den Transportern kleben. Wir bleiben am Ball und ich melde mich auf jeden Fall morgen noch mal.“
„Danke“ brummt Pitt ins Telefon und legt den Hörer auf. Er gibt Harry eine Zusammenfassung des Gesprächs und gibt ihm noch den Auftrag alles über den Fahrer von Moser ausfindig zu machen. Dann begibt er sich endgültig auf den Weg nach Hause.

Haben die Schweizer mit dem Stimmabgleich Erfog?
Findet Pitt wenigstens zu Hause was zu Essen?

7 Kommentare:

piepenhagen hat gesagt…

bin am WE nicht da. Deshalb schon heute :-)

railway hat gesagt…

My Goodness, das wird ja immer besser. Wer hätte gedacht, dass der Harry so ein Experte für Alles ist.........

Anonym hat gesagt…

Piepe, Du bist bekloppt! :-)

railway hat gesagt…

Ich hoffe, dass der Täter kein Mitglied der Schweizer Garde i9st. Sonst hängt bestimmt der Wattikahn mit drin........

Andy hat gesagt…

Dank euch für eure Story

Haselnuss hat gesagt…

Typisch Piepe,
haut hier richtig in die Tasten, den Bogen krieg ich nie hin. viel Spass beim Lesen und bearbeiten "Geschichtenerzähler".
Liebe Grüße an alle Leser und Schreiber
Haselnuss

geschichtenerzähler hat gesagt…

Mann Piepenhagen, jetzt hast du aber wieder mächtig vorgelegt ;-)
Klasse geschrieben, macht Spass zu lesen. Und hör nicht auf Dimebag, ist nur neidisch ;-)
Ja, Haselnuss, auf den Bogen bin ich selbst auch gespannt ;-)
Auch von mir ein Gruss an alle Leser und Schreiberlinge.......ihr lest von mir.......