Freitag, 27. August 2010

Der wahre Grund

„Das ist auch der Grund, warum ich dir offen erzähle, um was es geht.“ Mario erhebt sich und macht Angelo mit einer Handbewegung klar, dass er ihm zu einem an der Seitenwand stehenden Sofa begleiten soll. Nachdem sich beide gesetzt haben, beginnt Mario leise zu erzählen: „Dieser Pitt Brett ist sehr wichtig für unsere Familie. Vor knapp vier Jahren hat er zwei unserer Geschäftspartner,“ das Wort spuckt er regelrecht aus, „in Duisburg dingfest gemacht. Die haben mehrere Jahre als Auftragskiller gearbeitet und wurden von mir auch als Kuriere eingesetzt.“
„Kuriere?“ fragt Angelo. „Welche Art Kurier?“
Mario hebt beschwichtigend eine Hand. „Viele verschiedene Sachen. An diesem besonderen Tag aber transportierten sie Diamanten im Wert von sieben Millionen Euro zu einem Abnehmer in Duisburg. Irgendwie reichte ihnen aber ihr Status als Dienstleister nicht mehr oder sie liessen sich vom Wert der Ware blenden.“
„Mir schwant Böses,“ wirft Angelo ein.
„Dir schwant es richtig,“ wird er von Mario bestätigt. „Beim Austausch der Ware dann sind sie ausgetickt und haben den Händler und seine Begleiter erschossen. Soll ein fürchterliches Gemetzel gewesen sein. Sie schnappten das Geld und die Diamanten und haben sich aus dem Staub gemacht.“
„Und der Bulle? Mir ist klar, dass du die beiden Verräter in die Finger bekommen willst, aber was hat der Bulle damit zu tun?“
„Du kennst doch das Sprichwort; Wenn es richtig beschissen läuft, dann läuft die Scheisse sogar bergauf?“
Angelo nickt bedächtig.
Mario fährt mit der Geschichte fort: „Was die zwei Arschlöcher nicht wussten, war, dass dieser Bulle Brett schon lange ein Auge auf sie geworfen hatte, fleissig Indizien und Beweise sammelte und die zwei in dem Moment schon seit einer Woche rund um die Uhr beschatten liess. Was folgte, bekam man dann wochenlang in den Medien vorgesetzt. Eine Verfolgungsjagd quer durch ganz Duisburg, in dessen Verlauf eine Schwangere überfahren wurde, und dann die Verhaftung der beiden, nachdem sie von der Polizei für kurze Zeit aus den Augen verloren wurden. Aber diese kurze Zeit hat den beiden Schweinen gereicht, um die Diamanten und das Geld, also total vierzehn Millionen Euro, irgendwo in Duisburg zu verstecken. Sie wurden dann wegen mehrfachen Mordes angeklagt und beide zu jeweils zwei Mal lebenslänglich verurteilt. Dieser Brett bekam dann kräftig die Hände geschüttelt zu seinem grossen Erfolg, aber das ist nicht das Massgebende.“ Mario macht eine kurze Pause, damit Angelo Zeit hat, die Informationen zu verarbeiten. „Und nun habe ich ein Problem. Die zwei Schweine im Knast lassen nicht mit sich reden. Sie rücken nicht mit der Sprache raus, wo sie die Beute, also mein Geld, versteckt haben. Gewaltanwendungen haben keinen Sinn, im Gegenteil, ich brauche die beiden so lange lebend, bis sie mir das Versteck verraten haben.“
„Das leuchtet mir ein,“ sagt Angelo, „die Kerle wissen ganz genau, dass sie von dir nichts zu befürchten haben.“
„Genau, ich brauche die zwei unbedingt lebend ausserhalb der Zelle. Und für das will ich den Bullen.“
„Das kann ich jetzt nicht ganz nachvollziehen, antwortet Angelo etwas verwirrt, „für was brauchst du denn diese Type dazu,“ und hält das Foto von Pitt in die Höhe.
„Als Druckmittel. Nachdem dieser Bulle anno dazumal diesen Erfolg hatte, wurde es etwas ruhiger um ihn. Bis vor wenigen Wochen. Da hatte er wieder einen riesigen Fahndungserfolg mit der Zerschlagung eines grossen kriminell tätigen Rings in Duisburg, in dem sogar der damalige Bürgermeister involviert war. Das bescherte seiner Karriere einen mächtigen Schub. Die Stadt Duisburg hat ihn vor lauter Dankbarkeit befördert und sogar einen Luxusurlaub zusammen mit seinem Gefolge in St. Moritz springen lassen.“
„Die lassen sich aber nicht lumpen,“ meint Angelo anerkennend.
„Kein Wunder,“ entgegnet Mario, „sind ja auch Steuergelder, die da verbraten werden. Lange Rede, kurzer Sinn. Nun ist dieser Bulle zu einer Art nationaler Held hoch stilisiert worden. Und genau das will ich jetzt zu meinen Gunsten ausnützen.“
„Ich verstehe,“ sagt Angelo mit einem Lächeln, „das ist das perfekte Druckmittel um an die anderen zwei im Knast zu kommen.“
„Richtig erkannt,“ bestätigt Mario Angelo's Vermutung, „ich kann mir durchaus vorstellen, dass ich die beiden im Austausch gegen den bekannten Bullen aus dem Knast hierher in meine Finger bekomme. Und dann werden die beiden so lange bearbeitet, bis ich weiss, wo die Schweine mein Geld versteckt haben.“
Angelo grinst von einem Ohr zum anderen. „Und genau da komme ich ins Spiel, indem ich dir den Bullen frei Haus liefere, korrekt?“
„Korrekt,“ antwortet Mario verschwörerisch und streckt Angelo seine Rechte zum Handschlag, den der auch augenblicklich bestätigt.

Ist Pitt dem neuen Gegner gewachsen?
Überleben die beiden Gefangenen im Knast so lange?

Mittwoch, 11. August 2010

Die spezielle Bodenreinigung

Mario blickt Franco stumm in die Augen. Er zieht laut die Luft zwischen zusammen gebissenen Zähnen ein, dreht sich um, läuft langsam zu seinem Schreibtisch, dreht sich nochmals, geht die wenigen Schritte zu Franco zurück, baut sich vor ihm auf und legt ihm die linke Hand auf die Schulter. „Du bist also der Meinung, dass ich dir nochmals eine Chance geben soll?“

Ja, ja, unbedingt,“ antwortet Franco, hektisch mit dem Kopf nickend, „und dieses Mal versage ich nicht, ich schwöre es.“

Ich weiss,“ sagt Mario väterlich lächelnd und drückt mit seiner Hand die Schulter von Franco. „Ich weiss, dass du mich nicht enttäuschen wirst.“ Auch Franco beginnt erleichtert zu lächeln.

Mario greift mit der freien, rechten Hand unter sein Sakko, zieht mit einer geschmeidigen Bewegung eine Pistole darunter hervor, presst den Lauf der Knarre zwischen die nun erschrocken blickenden Augen von Franco auf seine Stirn und drückt ab.

Franco bleibt keine Chance, auch nur den leisesten Laut von sich zu geben, denn er ist auf der Stelle tot. Als sein Körper rückwärts auf den Boden fällt ist schon jegliches Leben aus seinem Körper gewichen. Unter seinem Kopf bildet sich eine Blutlache, die ihren Weg den Plattenfugen folgend über den Boden sucht.

Du hast recht,“ sagt Mario, und seine Stimme tönt, als ob er mit einem Kind reden würde, „du wirst mich nicht mehr enttäuschen, nie mehr.“

Während er zu seinem Stuhl hinter seinem Tisch zurück läuft verstaut er die Pistole wieder im Schulterhalfter und setzt sich dann mit angespanntem Gesicht. Zu einem seiner Bodyguards gerichtet sagt er: „Hol mir sofort Angelo Bolognese her. Es macht nichts, wenn es schnell geht.“

Der angesprochene Bodyguard rennt förmlich aus dem Büro. Der andere blickt zu seinem Boss, der ihn in dem Moment anspricht: „Und du, hol jemanden, der hier die Schweinerei auf meinem Boden aufräumt.“ Keine drei Sekunden später hat auch dieser Mann das Büro verlassen.

Es dauert auch nicht lange bis Angelo Bolognese etwas ausser Atem das Büro von Mario betritt. Mit einem kurzen Blick auf Franco's toten Körper stellt er sich vor den Schreibtisch.

Du hast mich rufen lassen, Boss,“ sagt er zu dem hinter dem Tisch Sitzenden. Mario hebt jovial die Hand zum Gruß und sagt: „Es ist schön, dich zu sehen, mein lieber Angelo.“

Meine Freude aber überwiegt,“ antwortet Angelo und zeigt beim Lächeln zwei Reihen tadellos weisser Zähne. Mit seinem dunklen Teint und den schwarzen, nach hinten gegeelten Haaren kann er seine sizilianische Abstammung unmöglich verleugnen.

Wie ich sehe,“ sagt er mit sonorer Stimme, „hast du ein kleines Personalproblem, wenn du mir diese Bemerkung erlaubst.“

Mario beginnt zu lachen. „Ich mag die Art, wie du die Sachen immer sehr direkt ansprichst.“ Angelo lächelt und deutet zum Dank eine leichte Verbeugung an. Mario zieht ein Taschentuch aus dem Jackett und tupft sich die Stirn ab.

Also, mein Junge, nimm dir einen Stuhl und setz dich,“ sagt Mario und deutet mit dem ausgestreckten Arm auf einen der leeren Stühle, die beim Schreibtisch stehen. Angelo knöpft sich das Jackett auf, setzt sich auf den sich am nächsten befindenden Stuhl und schlägt locker die Beine übereinander.

Du weisst, dass ich Franco sehr geliebt habe,“ beginnt Mario mit traurigem Blick zu erzählen, „darum habe ich ihm auch den Auftrag gegeben. Nichts Schwieriges.“ Er wiegelt mit beiden Armen ab. „Aber leider hat er den Auftrag nicht auf die Reihe bekommen.“

Das habe ich gesehen,“ antwortet Angelo mit einem süffisanten Lächeln und einem weiteren Seitenblick auf den Toten, „und die Bezahlung hat er sich sicher auch etwas anders vorgestellt.“

In diesem Moment betreten drei Männer das Büro und legen eine grosse Plane neben den Toten. Einer der Männer packt Francos Körper an den Knöcheln während der andere den Kopf des Leichnams nimmt und sie heben den Körper auf die bereit gelegte Unterlage. Sie wickeln ihn ein, während der Dritte damit beginnt, das Blut vom Boden aufzuwischen. Nach weniger als zwei Minuten stummer Beschäftigung verlassen die drei das Büro mit dem toten Franco so unauffällig, wie sie es zuvor betreten haben. Nichts mehr deutet darauf hin, dass hier vor kurzer Zeit eine Tragödie statt gefunden hat.

Angelo unterbricht als Erster die Stille: „Ich nehme mal an, du hast mich rufen lassen, um den Auftrag zu Ende zu bringen, den der Weggebrachte in den Sand gesetzt hat.“

Ich bewundere immer wieder deine schnelle Auffassungsgabe,“ sagt Mario und klatscht erfreut in die Hände. „Eigentlich wäre der Auftrag ziemlich einfach gewesen, bevor ihn dieser Versager versaut hat. Es geht lediglich darum, einen Mann dingfest zu machen, und hierher in unseren Gewahrsam zu bringen.“ Mario verdreht theatralisch die Augen gegen die Decke. „Aber nun ist dieser Typ natürlich gewarnt, und das erschwert die Sache etwas.“

Angelo nickt wissend. „Was muss ich denn alles wissen?“ fragt er nach einer kurzen Pause.

Mario erklärt ihm die wesentlichen Details wie Name, Herkunft und dass er sich zur Zeit in der Nähe in St. Moritz befindet. Während er Angelo diese Beschreibungen erzählt, kramt er ein Bild von Pitt aus einer seiner Schreibtisch Schubladen und reicht die Aufnahme Angelo. Dieser studiert das Foto eingehend.

Du willst also seinen Kopf auf deinem Schreibtisch?“ fragt Angelo.

Nicht nur den Kopf,“ wehrt Mario ab, „ich brauche den Hurensohn lebend.“

Angelo hebt überrascht die linke Augenbraue.

Und so unversehrt wie möglich,“ ergänzt Mario.

Aha,“ antwortet Angelo gedehnt, „in dem Fall brauchst du eine Information von ihm oder ihn selbst als Druckmittel, was?“ fragt Angelo mit einem breiten Grinsen.

Wie ich vorhin schon erwähnte,“ sagt Mario, „bewundere ich deine schnelle Auffassungsgabe.“ Mario lehnt sich in seinem Stuhl zurück und blickt einen Moment gedankenverloren an die gegenüber liegende Wand. „Du arbeitest schon sehr viele Jahre treu und absolut zuverlässig für unsere Familie.“

Ich bin auch sehr dankbar, seit über zehn Jahren zu euch gehören zu dürfen,“ antwortet Angelo nicht ohne ein wenig Stolz in der Stimme.



Was benutzten die Männer für ein Reinigungsmittel?
Was besprechen die beiden nun im Detail?