Samstag, 18. April 2009

Pitt und die kalte Pizza

Pitt steckt die beiden Handys in die Jackentasche, steht auf und fällt gleich darauf der Länge nach auf die Schnauze. Die Serviererin eilt mit besorgtem Gesicht auf ihn zu um ihm wieder auf die Beine zu helfen.

„Um Gottes Willen", fragt sie ihn ganz bestürzt, „ist ihnen übel geworden?“

„Nein", antwortet Pitt gereizt, „so viel habe ich von der Pizza gar noch nicht gegessen.“

Die Augen der Serviererin werden gross.

„Nein, das war ein Scherz", beschwichtigt Pitt sie, „ich bin nur über die Fantasie gestolpert, die ich mir vorhin ans Knie genagelt habe.“

Die Augen der Serviererin leuchten auf. „Sie sind ja ein kleiner Humorist", meint sie neckisch.

„Unbedingt, denn es heisst doch immer, dass Frauen auf Männer mit Humor abfahren.“ Ja logisch, denkt sich Pitt insgeheim, und wir Männer achten bei Frauen auch hauptsächlich auf die inneren Werte. Darum hat es im Playboy auch nur Röntgenbilder, und im Pornokino um die Ecke zeigen sie Kernspintomographie-Filme.

„Irgend so ein Depp hat wohl die Olivenkerne auf den Boden gespuckt, auf denen bin ich ausgerutscht. Keine Sorge, ist nix passiert.“

„Da bin ich aber froh.“ meint sie mit einem schelmischen Grinsen.



Pitt steigt in seinen BMW, startet den Motor und drängt sich rücksichtslos in den fliessenden Verkehr. Ein schrilles Hupkonzert verfolgt ihn. Knappe zehn Minuten später bremst er mit quietschenden Reifen vor dem Gebäude der Kripo.

Immer zwei Stufen gleichzeitig nehmend hetzt er in den dritten Stock zum Büro von Kriminalrat Schreiner. Er hat noch nicht richtig fertig angeklopft, als ein dröhnendes „Herein“ durch die Türe dringt.

„Guten Tag...“ beginnt Pitt, rüde unterbrochen von Schreiner.

„Sie brauchen sich gar nicht erst zu setzen, Brett, es dauert nicht lang.“ Kriminalrat Schreiner blickt von den vor ihm liegenden Akten auf. „Wie weit sind sie mit den Ermittlungen im Fall des Diebstahls letzte Nacht im Innenhafen?“

„Also", setzt Pitt zur Antwort an, „wir haben einige Spuren...“

„Jajaja, sparen sie sich die Details. Das Problem ist, dass mich der Bürgermeister heute schon zwei Mal angerufen hat, um zu fragen, ob wir irgendwelche Fortschritte machen. Er will so schnell wie möglich dem Besitzer des Flügels, dem..“ Schreiner blickt kurz in seine vor ihm liegenden Dokumente, „ah, da, dem Felix Moser brauchbare Ergebnisse liefern. Dieser Moser ist ein sehr wichtiger und grosszügiger Geldgeber für die nächste Wahl vom Bürgermeister. Alles klar?“

„So klar, wie es nur sein kann", erwidert Brett säuerlich.

„Warum stehen sie dann hier noch rum?“

„Wünsche noch einen schönen Tag", meint Pitt, dreht sich um und geht zur Tür. Ein „mmhhmmh..“ ist die einzige Antwort, die er beim Verlassen des Büros noch hört.



Ist ja wieder toll, denkt Pitt bei sich. Der Bürgermeister hat nur seine Wiederwahl im Auge und will seinem grosszügigen Sponsor in den Hintern kriechen, und mein Chef, der hochwohlgeborene Kriminalrat Horst Heinrich Schreiner will ihn dabei auch noch tüchtig anstossen, und ausbaden muss ich die ganze Sache.



Als Pitt wieder unten bei seinem Wagen ankommt steht schon Harry Nagel auf ihn wartend daneben.

„Und?“ fragt Pitt während er sich hinters Steuer klemmt, „hast du schon was über die Fahne in Erfahrung bringen können?“

„Im Prinzip ja und nein", meint Nagel, der auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat.

„Was heisst ja und nein?“

„Der Metzger, zu dem du mich geschickt hast, wollte mich einweisen lassen, als ich gefragt habe, ob er diese Fahne neulich verkauft hat. Aber dann hat er sich doch dazu entschlossen ein Fleischermesser nach mir zu werfen.“ Ein breites Grinsen zieht sich über Harrys Gesicht.

Pitt fährt ohne Kommentar los.

„Und wohin fahren wir jetzt?“ fragt Harry ernst, als er merkt, dass sein Sarkasmus bei Pitt zur Zeit nicht angebracht ist.

„Ich habe noch eine Verabredung mit einer Pizza.“ erklärt Pitt.

Auf dem Weg wiederholt er Nagel das kurze Gespräch, das er zuvor mit Schreiner geführt hat.

„Eigentlich war es mehr so eine Art Monolog", erzählt Pitt, und beschreibt, dass sich sogar der Bürgermeister für das verschwundene Klavier des Schweizers interessiert. Nach kurzer Fahrt stehen sie vor der Pizzeria.

„So schnell haben sie mich nicht wieder zurück erwartet, stimmt, oder?“ fragt Pitt die Kellnerin, die mit offenem Mund die beiden anstarrt. „Wenn sie fertig gestaunt haben, dann möchte ich meine Pizza fertig essen, und du, Harry, nimmst du auch eine?“

Nagel nickt kurz.

„Dann muss ich sie aber zuerst aus dem Schweinekübel rausgraben", erwidert die sichtlich überraschte Serviererin, „mit ihnen habe ich nicht mehr gerechnet, so wie sie fluchtartig abgehauen sind vorher. Aber keine Sorge, ich lasse gleich zwei neue Pizzas backen, ich sage einfach, die von vorhin ist mir auf den Boden gefallen.“ Mit diesen Worten verschwindet sie in der Küche.

„Also, wie sieht es aus? Hast du irgendwas Hilfreiches herausgefunden?“ fragt Pitt, nachdem sich beide in einen ruhigen Teil des Lokals gesetzt haben.

„Ob die Informationen hilfreich sind, bin ich nicht so sicher", antwortet Harry. „Unser Mann bei der Spurensicherung hat mich vor knapp einer Stunde angerufen und gesagt, die Kippe, die du gefunden hast, ist eine Schweizer Zigarettenmarke, in der Schweiz hergestellt und auch dort verkauft.“

„Wieso will der wissen, dass sie in der Schweiz verkauft wurde?“

„Weil die Dinger nur in der Schweiz verkauft werden", erklärt Harry. „Die DNA-Analyse dauert aber noch etwas länger.“

„Und die Fahne?“ will Pitt wissen.

„Da ist auch so ein eigenartiges Detail", beginnt Harry zu erklären, „das ist alles andere als eine normale Fahne.“

„Jetzt bin ich aber ziemlich gespannt, was du mir erzählst, was an einer Schweizer Fahne so aussergewöhnlich ist. Ist das Kreuz verkehrt herum aufgenäht, oder was?“ fragt Pitt mit einem schiefen Grinsen.

„Haha, nee du, der Stoff der Fahne ist sehr fein gewoben und danach mit Ornamenten und Kreuzen bestickt worden. Und zwar der rote und der weisse Teil.“ Pitt mustert Harry mit skeptischem Blick, währenddessen der weitererzählt, „das ist keine Fahne, die du in einem Tante Emma Laden für zwei Euro kaufen kannst. Eine Fahne dieser Grösse und Qualität findest du hauptsächlich bei Turn- und Schützenvereinen. Und die gibt’s nur für ein paar hundert Euro an aufwärts.“

Die Kellnerin bringt die zwei Pizzas und stellt sie mit einem Lächeln in Richtung Pitt vor die zwei auf den Tisch.

„Jetzt wird die Geschichte hier aber langsam sehr seltsam", bemerkt Pitt und schickt einen verträumten Blick der sich entfernenden Kellnerin hinterher, „eine Schweizerfahne, die schweineteuer ist, Zigaretten die es nur in der Schweiz gibt. Ein Konzertflügel, der einem Schweizer Aufsichtsratvorsitzenden der Duisburger Eisenhütten AG gehört. Und dieser Typ ist auch noch ein wichtiger Geldgeber von unserem Bürgermeister.“ Pitt starrt gedankenverloren auf seine Pizza. Plötzlich zuckt er wie von der Tarantel gestochen zusammen. Er greift in seine Jackentasche und fördert sein vibrierendes Handy zu Tage.

„Schon wieder Schreiner", er verzieht angewidert seine Mundwinkel, „was will denn der schon wieder?“

Harry zuckt fragend mit den Schultern. Pitt drückt die grüne Taste.

„Ja, Chef, hier Brett.“

„Brett, egal wo sie sind, kommen sie sofort in mein Büro.“

„Aber ich wollte gerade meine Pizza essen.“ entgegnet Pitt.

„Arbeiten sie eigentlich auch einmal, oder verbringen sie ihre ganze Dienstzeit in dieser Pizzeria, Brett?“

„Nein, ich...“

„Diese Kellnerin muss ja ein ganz heisser Feger sein.“

„Hören sie..“ will Pitt entgegnen, aber Schreiner schneidet ihm erneut das Wort ab.

„Und wenn sie unterwegs den Nagel treffen, dann nehmen sie ihn gleich mit, ich erwarte euch beide in zwanzig Minuten in meinem Büro.“ Dann hört Pitt nur noch ein Klicken und das Besetztzeichen.

„Der Chef lässt höflichst anfragen, ob wir es freundlicherweise einrichten könnten, mal kurz bei ihm im Büro vorbeizuschauen“, meint Pitt zuckersüss zu Harry, „aber nur, wenn es keine Umstände macht.“

„Aber natürlich", antwortet Harry mit einem Augenzwinkern, „diesem Wunsch komme ich doch mit Freude entgegen.“

„Hallo sie“, schreit Pitt in Richtung Küche, „zahlen!“ Als die hübsche Kellnerin herbeigeeilt ist fragt er sie: „Wie heissen sie eigentlich?“

„Gabriela, und ihr beiden?“

„Ich bin Pitt, und der hässliche Kerl gegenüber heisst Harry. Sag mal, Gabriela, was schulde ich dir?“

„Ein Nachtessen in einem von dir gewählten Schlemmerschuppen, und für die angebissene und die zwei unberührten Pizzas neunzehn Euros.“

„Hier hast du zwanzig, ist gut so, und das Nachtessen machen wir, versprochen.“

Pitt und Harry, mit den Take-away Pizzaschachteln unter dem Arm setzen sich in den Dienstwagen und rasen zurück ins Revier.



Hat Schreiner dieses Mal wichtige Informationen für Pitt?

Wird Pitt sein Versprechen halten, und Gabriela zum Nachtessen ausführen?

Wer kennt die verdammten Lottozahlen der nächsten Ziehung? Bitte um sachdienliche Hinweise!

5 Kommentare:

piepenhagen hat gesagt…

Super, wirklich klasse geschrieben :-)

railway hat gesagt…

Boah, Edgar Wallace war ein Waisenknabe dagegen.....

Andy hat gesagt…

Hammer!!
Super Geschichte!!

geschichtenerzähler hat gesagt…

@ piepenhagen & railway: Danke für die Blumen, aber ich musste mich doch ins Zeug legen, wenn ihr so eine Vorlage abliefert. Bin gespannt auf die nächste Folge :-)

@ Andy: Vielen Dank auch, macht auch Spass :-)

Tinchen {Katrin} hat gesagt…

Hey, Du schreibst super! Echt mitreißend, man muss lesen bis zum Schluss! Wie machst Du das?! Grandios!

Krimis lese ich gerne; hier bei Dir gefällt es mir super gut und ich komme jetzt sicherlich öfters vorbei!

Viele liebe Grüße
und weiterhin kreative Schreibphasen

Katrin

(Habe auch einen Autorenblog - auch einen mit Leseproben; stehe aber beim Schreiben mehr auf Fantasy - lese aber auch sehr gerne Krimis, Thriller und so; derzeit habe ich DIABOLO hier liegen ...:-)