Freitag, 12. Juni 2009

Spuren im Berner Oberland


Das Telefon klingelt. Kurt Pflümli hebt den Hörer ab und meldet sich: „Kripo Zürich, Feldweibel Pflümli am Apparat.“

„Hallo Herr Pflümli, hier spricht Pitt Brett.“

„Guten Tag Herr Brett,“ antwortet Pflümli, „was verschafft mir die Ehre ihres Anrufes? Haben sich schon erste Ergebnisse in ihrem laufenden Fall ergeben?“

„Schön wäre es,“ meint Pitt zerknirscht, „eher das Gegenteil ist eingetreten. Nicht nur, dass ich gegen lokale Grössen ermitteln will und mir mein Chef Knüppel zwischen die Beine wirft, nein, jetzt haben wir auch noch eine Leiche im Kühlraum der Gerichtsmedizin, die wahrscheinlich auch noch in den Fall involviert ist.“

„Ich kann leider noch keine weiteren Angaben machen, weil ich noch auf die Auswertungen aus der Spurensicherung warte,“ sagt Pflümli zu Brett.

„Kein Problem, danke trotzdem,“ antwortet Pitt, „mein Partner und ich machen uns gegen 21.00Uhr auf den Weg zu ihnen nach Zürich um mit ihnen zusammen die bisherigen Ermittlungen abzugleichen und das weitere Vorgehen zu besprechen. Einen Antrag auf grenzüberschreitende Zusammenarbeit habe ich per Interpol gestellt, ihr Vorgesetzter sollte schon informiert sein. Denn der ganze Fall zieht weitere Kreise, als es zuerst den Anschein hatte. Wir werden uns dann morgen vormittag bei ihnen im Büro melden, wenn das für sie in Ordnung ist.“

Kurt Pflümli überlegt kurz und meint: „Ach was, ich hole sie heute noch am Flughafen ab. Eigentlich wollte ich nachher noch nach Interlaken fahren um gleich in der Früh morgen einige Nachforschungen anzustellen,aber das können wir zusammen erledigen. Ich organisiere euch beiden hier in Zürich eine Unterkunft. Ich nehme mal an, dass Einzelzimmer gewünscht sind?“

„Unbedingt,“ antwortet Pitt, „mein Partner schnarcht, dass die Wände wackeln.“

Pflümli lacht kurz auf und verabschiedet sich mit den Worten: „Bis später dann, ich warte am Flughafen auf euch.“

Pitt hat gerade seine Sporttasche fertig gepackt, als Harry an der Tür klingelt. Beide fahren zum Flughafen Düsseldorf und sitzen kurze Zeit später an Bord des Fliegers der Air Berlin nach Zürich.

„Wie erkennen wir eigentlich den Pflümli?“ fragt Harry.

„Ist sicher ganz einfach,“ meint Pitt, „ist wahrscheinlich so ein typischer Schweizer. Ich nehme an, ein kleiner, schmächtiger Typ um die fünfzig, mit Halbglatze und dicker Brille. So ein detailverliebter Genauigkeitsfanatiker. Und steif, als hätte er einen Besenstiel gegessen. Beamten-Typ halt. Die Schweizer haben sogar einen Begriff dafür, Bünzli, glaube ich.“

Beide lachen herzhaft, bis ihnen die Flugbegleiterin ihr Sandwich bringt und sie einen Bissen davon nehmen.

Nach einem kurzen, ereignislosen Flug, bei dem beide versuchten, ein paar Minuten zu schlafen, setzt der Flieger um kurz vor zehn Uhr in Zürich-Kloten sanft auf der Landebahn auf. Weil um diese Zeit nicht so viel Verkehr in der Luft herrscht, stehen beide schnell an der Zollkontrolle, wo sie durch gewunken werden. Kurz darauf betreten sie die Ankunftshalle und suchen nach dem Bünzli-Schweizer. Plötzlich ertönt hinter den beiden eine Stimme. „Ihr seid sicher die beiden aus Duisburg.“ Erschrocken drehen sich Pitt und Harry um und schauen in ein grinsendes Gesicht. „Ich bin der Pflümli. Ihr könnt aber Kurt sagen, wenn das für euch auch in Ordnung ist.“ sagt Pflümli und streckt Pitt die rechte Hand entgegen.

Der, noch völlig überrascht, packt zu und sagt: „Freut mich, ich bin Pitt und das ist Harry, mein Partner.“

„Ihr habt wohl einen trockenen Bürokraten Fuzzie erwartet, was?“ fragt Kurt, „so wie ihr aus der Wäsche guckt, oder klebt mir irgend etwas im Gesicht?“

„Neinein, das ist nur, weil wir schon so lange nichts mehr Richtiges gegessen haben.“ antwortet Pitt und denkt bei sich, Trottel, eine dümmere Ausrede fällt dir nicht ein? Er betrachtet den vor ihm stehenden Schweizer sichtlich erstaunt. Nichts da von wegen alter Mann. Pflümli ist ungefähr in seinem Alter, er schätzt ihn um die achtunddreissig. Sportliche Figur mit breiten Schultern, etwa einen Meter achtzig gross und das Gesicht eines zu gross geratenen Lausejungen. „Also gut,“ meint er dann verlegen, „wir haben wirklich jemand Anderen erwartet.“

„Wusste ich doch,“ Pflümli grinst über das ganze Gesicht, „ich bin so was gewöhnt. Die Wenigsten glauben mir, wenn ich ihnen erzähle, was mein Beruf ist. Was hast du gesagt, ihr habt schon Ewigkeiten nichts mehr gegessen?“

Pitt und Harry nicken eifrig mit den Köpfen.

„Ok, dann mache ich euch beiden folgenden Vorschlag. Hier im Flughafengebäude hat noch ein Selbstbedienungs-Restaurant geöffnet. Dort essen wir mal anständig. Und während dem Essen könnt ihr mich über die aktuelle Situation des Falles und der Ermittlungen briefen. Danach fahre ich euch zu eurem Hotel bei der alten Giesserei. Und morgen nach dem Frühstück lade ich euch dort auf und dann fahren wir gemeinsam nach Interlaken und ermitteln vor Ort.“

Pitt und Harry sind sofort einverstanden, vor allem, weil es endlich etwas zu essen gibt.

Am nächsten Morgen holt Kurt die zwei ausgeschlafenen und zufrieden Satten wie besprochen beim Hotel ab und sie fahren Richtung Interlaken. Da Harry zuvor noch nie in der Schweiz war, fungiert Kurt gerne als Reiseleiter und erklärt ihm geduldig all die Sehenswürdigkeiten, an denen sie vorbei fahren. Sogar Pitt beginnt zu staunen, als sie über den Brünig-Pass fahren und sich die grandiose Postkartenidylle des Berner Oberlandes vor ihnen auftut.

„Wenn man jetzt hier oben links abbiegt, dann fährt man in Richtung Meiringen,“ erzählt Kurt, „und dort befinden sich die weltberühmten Reichenbachfälle.“

„Wieso berühmt?“ will Harry wissen.

„Weil dort das finale Duell von Sherlock Holmes und seinem härtesten Gegner Moriarty stattgefunden hat.“ erklärt Pitt, ganz stolz, etwas mehr als Harry zu wissen. „Beim Kampf auf Leben und Tod am 4. Mai 1891 stürzten beide von der Brücke hundert Meter in die Tiefe und verschwanden in den Wassermassen.“

„Es gibt sogar ein Museum,“ ergänzt Kurt, „und ein Hotel, in dem die Gäste einen Krimi mitspielen können.“ Die drei Kriminalbeamten aber zweigen rechts ab und fahren dem Brienzersee entlang in Richtung Interlaken, das sie um zehn Uhr erreichen. Der Himmel ist übersät mit farbigen Tupfern. Hier ist das Mekka der Gleitschirmflieger. Kurt parkiert neben einer grossen Wiese, auf der ein Tandem Gleitschirm zur Landung ansetzt. Die drei steigen aus. Pitt dreht sich um und macht grosse Augen. Sie stehen nämlich genau vor dem Hotel Victoria Jungfrau Grand Hotel & Spa.


„Ich dachte mir, wir beginnen hier mit den Ermittlungen. Das ist das Hotel, von dem die Streichholzschachtel stammt.“ erklärt Kurt und geht voraus in das Hotel.

Pitt meint ehrfürchtig zu Harry: „Mensch Harry, dass das Hotel etwas Besseres ist, dachte ich mir schon, aber dass das so ein Prunkbau ist......“ Er betrachtet die mondäne Fassade und den vor dem Eingang stehenden Lamborghini und Rolls Royce. Ohne den Lottojackpot zu gewinnen werde ich wohl nie hier drin übernachten, denkt sich Pitt und folgt Kurt durch die Drehtüre in den Empfangsbereich. Dort hat sich Kurt schon bei der Rezeptionistin angemeldet, seinen Ausweis gezeigt und den Chef des Hauses verlangt. Kurz darauf kommt ein tadellos gekleideter Herr auf die Rezeption zu gestrebt.

„Guten Tag, die Herren. Mein Name ist Amacher, darf ich sie in mein Büro bitten?“ Mit gehetztem Blick schaut er in die Runde, es ist ihm sichtlich peinlich, Polizeibeamte im Haus zu haben, auch wenn sie in zivil unterwegs sind. Er wirbelt herum und marschiert den Dreien voraus in den hinteren Teil des Hotels.

„Schau mal,“ sagt Harry zu Pitt, „da hast du deinen Bünzli-Schweizer.“ Pitt nickt nur lächelnd und betrachtet im Vorbeigehen den zur Schau gestellten Luxus. Nachdem alle im Büro Platz genommen haben, erklärt Kurt dem Hoteldirektor, dass sie drei an einem länderübergreifenden Fall arbeiten und bittet den mit tiefen Sorgenfalten dasitzenden Amacher: „Und aus diesem Grund brauchen wir die komplette Gästeliste des letzten halben Jahres.“

Amacher macht ein Gesicht, als hätte er gerade in eine Zitrone gebissen. „Wissen sie, Herr äähh Pflümli,“ antwortet er händeringend, „wir sind ein renommiertes Fünf-Sterne-Hotel. Wir haben einen ausgezeichneten Ruf zu verlieren und können deshalb keine negativen Schlagzeilen brauchen. Desweiteren ist die Integrität unserer Gäste unser oberstes Gebot. Bei uns gehen Prominente, Würdenträger und sehr Wohlhabende ein und....“

„Das weiss ich,“ unterbricht ihn Pflümli, „wir können die Unterlagen auch per Gerichtsbeschluss einfordern, aber sie würden uns sehr helfen, wichtige Zeit zu sparen mit ihrer Kooperation.“ Kurt setzt sein gewinnendes Lächeln auf.

Mehrere Sekunden lang starrt Amacher Pflümli mit zusammengepressten Lippen an, nimmt den Telefonhörer zur Hand und ordert die gewünschten Unterlagen.

„Die Liste wird am Empfangsdesk für sie bereitgestellt. Ich begleite sie noch bis dort.“ sagt Amacher kalt währendem er aufsteht und damit die drei hinaus komplimentiert.

Nachdem die drei Polizisten mit der Liste das Hotel verlassen haben eilt Amacher zurück ins Büro, greift sich den Telefonhörer und wählt hastig eine Nummer in Deutschland.

„Seine Begeisterungsstürme über unseren Besuch,“ sagt Kurt, „halten sich sehr in Grenzen.“

Pitt nickt. „Ich wurde auch schon freundlicher begrüsst.“

Kurt Pflümli läuft zum Dienstwagen und sagt: „Jetzt fahren wir zuerst in eine Gartenbeiz.“

„Garten was?“ fragt Harry.

„Gartenbeiz,“ antwortet Kurt, „Gasthaus mit Aussensitzplätzen. Wie sagt ihr denn zu so was?“

„Biergarten.“

„Ok, dann gehen wir jetzt in einen Biergarten und knöpfen uns mal zusammen die Liste vor.“ sagt Kurt beim Einsteigen in den Wagen. Zehn Minuten später sitzen die drei konzentriert, jeder mit einem Teil der Liste, an einem Tisch und gehen die darauf verzeichneten Namen durch. Plötzlich hebt Harry den Kopf und sagt: „Ihr glaubt nicht, was ich gerade gefunden habe.“

Kurt und Pitt schauen von ihren Listen auf.

„Vor fünf Wochen haben hier folgende werten Herrschaften gewohnt, und zwar für drei Tage. Horst Schreiner aus Duisburg, Dieter Hobel aus Duisburg, Isabella Säger aus Duisburg und...“

„Jetzt sag bloss...“

„Ja, auch der Rudolf Moser, ebenfalls aus Duisburg.“

„Ach du Schande,“ meint Pitt, „jetzt soll mir bitte noch einer sagen, dass das ein Zufall ist und das ganze Pack nicht zusammen unter einer Decke steckt um irgendwelche Schweinereien auszuhecken.“

Kurt Pflümli stösst einen leisen Pfiff zwischen den Zähnen aus. „So wie ich das sehe, war das zur gleichen Zeit, als die Auktion in Luzern stattfand wo Moser den Flügel ersteigert hat. Nur, wie passen die vier zusammen in das Bild? Ein Industrieller, ein Bürgermeister, ein Kriminalrat und eine Frau?“

„Die Frau ist die Sekretärin vom Schreiner.“ ergänzt Harry. „Und mit der ist irgendwas auch nicht sauber.“

Kurt zieht erstaunt eine Augenbraue hoch.

Pitt will gerade etwas sagen, als sein Handy vibriert. Er sieht auf dem Display, dass ihn sein Chef, Kriminalrat Schreiner, versucht zu erreichen. „Der kann warten,“ meint Pitt. Nach ein paar Minuten vibriert sein Handy erneut und nach einem Blick darauf sieht Pitt, dass eine Mitteilung auf seine Combox gesprochen wurde. Also gut, denkt er, vielleicht ist es wichtig. Er stellt die Verbindung her um die Nachricht abzuhören und schaltet das Handy auf Lautsprecher, damit die anderen gleich mithören können.

„Hier Schreiner!“ schreit es ihm aus dem Lautsprecher entgegen, „Pitt Brett, was zum Teufel treiben sie eigentlich in Interlaken? Und was zum Geier fällt ihnen eigentlich ein? Ich habe ihnen deutlich gesagt, dass sie gefälligst den Herrn Moser in Ruhe lassen sollen! Und sie Idiot stellen einen Antrag für eine Überwachung durch eine GSG9-Einheit! Sind sie von allen guten Geistern verlassen? Der Bürgermeister macht mich hier sowas von fertig, weil sich der Moser beim ihm beschwert hat. Ich rate ihnen dringendst, sich sofort zum Rapport bei mir zu melden, sonst garantiere ich ihnen, dass sie den Tag bereuen werden, an dem sie geboren wurden!“

Die drei sitzen einige Augenblicke ruhig da, um das soeben Gehörte zu verdauen, bis Pitt das Schweigen bricht: „Der Kerl riskiert eine grosse Lippe dafür, dass er mit den Anderen irgendein krummes Ding am Laufen hat. Da bin ich hundertprozentig sicher. Das sagt mir mein Polizistengespür. Und wieso weiss der Kerl, dass ich in Interlaken bin?“



Wird Pitt Brett sofort zurück nach Duisburg fahren?

Ist er auf dem richtigen Weg mit seinem Verdacht?

Wird Kurt Pflümli alleine weiter recherchieren im Berner Oberland?


6 Kommentare:

railway hat gesagt…

Genial. Damit kriegen wir den Oskar in Holliwutt.

piepenhagen hat gesagt…

jau, schon mal den Antrach stell.

piepenhagen hat gesagt…

PS. Pitt fährt nich nach Hause, ich will das nicht, *mitdemFußaufstampf*^^

railway hat gesagt…

Wie denn auch. Die näxten drei Fluchzeuchs sind ja schon wech....
Getz musser warten.....
Aber als näxtes schreipt die haselnuss. Und die Frau iss unberechenbar.......
Glaub mir, ich kenn die........
son bisken wenichstens......
Naja, so gut, wie man eine Frau kennen kann........also eher nich......
*grübel*

Andy hat gesagt…

Immer schön im Berner Oberland bleiben!!!Vielleicht ein Besuch im Schloss Oberhofen meiner Heimat!!
Zum Glück ist kein farbiger tupfer auf unserem Schlossturm gelandet.
grüessli Andy

Unknown hat gesagt…

Pitt bleib in Düsburch!!!