Dienstag, 13. Juli 2010

Fragen über Fragen

Pitt schluckt den Bissen vom Brötchen mit Marmelade runter und meint dann: “Mit der Bewaffnung von dem Harald hätte der einen kleinen afrikanischen Staat im Alleingang erobern können. Ich frage mich nur, warum der uns so stark bewaffnet gefolgt ist.“

Kurt und Harry blicken sich fragend an. Harry sagt dann: „Die oder derjenige, der es auf dich abgesehen hat, wollte wohl absolut sicher sein.“

Die wollten dich nicht nur tot sehen,“ ergänzt Kurt, „die wollten dich regelrecht pulverisieren.“ Gabriela streckt ihren Arm und streichelt über Pitt's Hand.

Eigentlich müsste ich mich ja extrem geehrt fühlen über diese immense Aufmerksamkeit durch meinen unbekannten Feind.“ Pitt blickt Gabriela in ihre besorgt blickenden Augen. Es ist schon unfair, denkt er sich, da lerne ich endlich eine wunderbare Frau kennen, die nicht nur wunderschön ist, sondern auch einiges im Kopf hat. Eine Frau, die mich nimmt, wie ich bin. Mit allen Ecken und Kanten. Die akzeptiert, dass mein Job alles andere als ein Zuckerschlecken ist und eine Beziehung immer wieder aufs Neue herausfordert und auf die Probe stellt. Die mir Kraft und Motivation gibt. Bei der ich mich sicher und behütet fühle. Und bei der ich auch schwach sein darf. Und nun bringe ich sie und meine Freunde in allergrösste Gefahr. Bei diesen Gedanken schweifen seine Augen von Gabriela zu Harry und Susi und von dort zu Kurt und Monika. Ein schwerer Kloss legt sich zentnerschwer auf seinen Magen und raubt ihm den Appetit.

Was denkst du?“ fragt Susi mit leiser Stimme.

Ich mache mir grosse Sorgen um euch,“ antwortet Pitt, „ich habe Angst um euch, weil ich befürchte, dass ihr in feindliches Feuer geratet, das eigentlich für mich bestimmt ist.“

Keine Sorge,“ antwortet Kurt, „wir sind alle gross genug, um auf uns aufzupassen.“ Kurt zwinkert Pitt zu.

Pitt nickt langsam. „Aber ihr habt ja selbst gesehen, dass da ausgebuffte Profis am Werk sind und keine dilettantischen Kleinganoven.“

Harry hebt den Löffel, an dem noch ein grosses Stück von seinem Frühstücksei hängt. „Du hast recht, aber wir hier sind auch alle Profis, die bei ihrem Job auch wissen, wie es läuft.“ Um seinen Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen, wedelt er kräftig mit dem Löffel durch die Luft, was zur Folge hat, dass sich das daran klebende Ei spontan dazu entschliesst, sein Seelenheil in der Flucht zu suchen und fliegender weise unter dem Nachbartisch zu verstecken. Mit einem verlegenen Uuuups und der Verfärbung seiner Ohren in ein leuchtendes Rot versucht Harry den Vorfall erfolglos zu kaschieren.

Die Freude des Ei's über seine wundersame Rettung währt aber nicht lange. Der Schuh des an dem Tisch sitzenden Frühstückgastes deformiert es zu einer undefinierbaren Masse und befördert es direkt in das Eiweiss-Nirwana.



Zur selben Zeit im Luxusskiort Bormio, am Fusse des majestätischen Stilfserjoch gelegen. Nicht weit von der italienischen Metropole Turin entfernt. Bekannt auch durch die alljährlich stattfindenden Ski Weltcuprennen. In unmittelbarer Nähe der Abfahrtspisten, an einem mit Licht überfluteten Sonnenhang an dem sich die millionenteuren Villen wie Kletten an den Hang klammern, liegt auch die Villa von Mario Carbonara, die aussieht wie eine kleine Alpenfestung. Das ganze riesige Areal wird von einer meterhohen Bruchsteinmauer umgeben, die aus den in der Umgebung liegenden Steinbrüchen geschlagenen Granitsteinen stammen. Die Mauerkrone wird noch zusätzlich durch eine Stacheldrahtverspannung gesichert. Alle fünfzig Meter ist eine Video-Überwachungskamera installiert, die wie ein Metronom regelmässig hin und her schwenkt. Der eigentliche Eingang ins Gelände wird durch ein riesiges schmiedeisernes Tor versperrt. Im Abschlussturm rechts befindet sich die Überwachungs-- und Zugangskontrolle wo allfällige Besucher mit Video- und Röntgentechnik ohne ihr Wissen bis aufs Innerste kontrolliert werden können. Hinter der Steinsäule angebaut befindet sich das Wachhaus, das rund um die Uhr von zwei schwer bewaffneten Männern besetzt ist. Dem aufmerksamen Beobachter entgehen auch die im ganzen Gebiet patrouillierenden Männer nicht, von denen jeder einen Dobermann an der Leine mit sich führt.

Hinter der langen geschwungenen Einfahrt erhebt sich das Hauptgebäude. Eine wahre Trutzburg mit ihren spitz zulaufenden Türmen, den reich verzierten Erkern und den schräg nach innen laufenden Fensterleibungen, die dem Haus das Aussehen einer mittelalterlichen Festung mit ihren Schiess-Scharten verleiht. Das ganze Gebäude ist mit wundervollen Sgraffito, einer speziellen Stucktechnik aus dem sechzehnten Jahrhundert, bei der Bilder und Ornamente in die obere Putzschicht gekratzt werden, verziert.

Hinter der riesigen, nach Süden ausgerichteten Fensterfront befindet sich das Büro von Mario Carbonara. Er sitzt hinter einem gewaltigen Schreibtisch aus Mahagoni, der so gross ist, dass problemlos zwei komplette Fussballmannschaften daran hätten gleichzeitig zu Mittag essen können. In einigem Abstand vor dem Tisch steht ein sichtlich verlegener Franco Matteo, die Hände ringend und immer wieder versuchend, ein Lächeln zustande zu bringen, das dann doch jedes Mal noch etwas verkrampfter wirkt als das vorhergehende.

Mario Carbonara hat die Fingerspitzen seiner Hände aneinander gelegt und die Ellenbogen auf der riesigen Tischplatte abgestützt. Es wirkt, als ob er seine Nasenspitze auf beiden Zeigefingern balancieren würde. Unter buschigen Brauen blicken seine eisblauen Augen unverwandt auf Franco, dessen Schweissausstoss immer heftiger wird.

Franco, Franco, Franco,“ sagt Mario unvermittelt, „was soll ich nur davon halten?“ Wie in Zeitlupe lässt er die Arme sinken bis sie flach auf dem Tisch liegen. Er dreht den Kopf, blickt seine beiden Bodyguards an, die dort mit verschränkten Armen an der Seitenwand des Büros stehen, dreht den Kopf wieder zurück und schüttelt ihn unmerklich. Dabei fällt ihm eine graue Strähne seines etwas schütteren Haares auf die Stirn. Mit einer ruhigen Bewegung streicht er sie wieder weg an ihren angestammten Platz.


Schmeckt das Frühstück so überhaupt?

Wer sind dieses Spaghettis?

Was hat der Franco ausgefressen?

1 Kommentar:

railway hat gesagt…

Gut, dass es weitergeht! Klasse geschrieben!